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Gutes Prototyping: 3 Dinge die wir gelernt haben

Rückblick, Erkenntnisse und konkrete Tipps aus dem Human-Centered-Design-Training von +Acumen und IDEO.
August 14, 2018

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Wir bei XO haben einiges an Erfahrung, was das Prototyping angeht. Da man aber nie auslernt, haben wir ein “Design Kit: Prototyping” Team Training gemacht, um noch besser zu werden.

Human-Centered Design ist ein Prozess, der beim Menschen beginnt, für den man designt. Dabei entstehen neue Lösungen, die komplett auf die Bedürfnisse des Nutzers zugeschnitten sind. Das wichtigste Element dabei sind Prototypen, um eine Idee aus den Köpfen der Entwickler für Nutzer praktisch erfahrbar zu machen und Feedback für Verbesserungen zu erhalten.

Der Training wurde (und wird regelmäßig wieder) von IDEO.org und +Acumen als Team Challenge zu Verfügung gestellt. Es ist in vier Einheiten aufgeteilt, die sich jeweils mit einer anderen Art von Prototyping und Herangehensweisen beschäftigen.

Workshop 1: Make it real

Im ersten Modul ging es um die Grundlagen des Prototypings. Dazu haben wir als erste Übung ein Rapid Prototyping durchgeführt. Hier sollte das ideale Reisegepäck entworfen werden.

Wir haben gelernt: Paper Prototypes zeigen rasend schnell und viel besser als Worte, welche Herausforderungen und Wünsche Menschen haben.

Rapid Paper Prototypes zum optimalen Reisegepäck

Susanne will z.B. einen Rucksack mit unterschiedlichen Fächern, damit alles geordnet und erreichbar bleibt. Franziska vergisst oftmals wichtige Dinge auf Reisen. Sie hat eine Koffereinlage entworfen, die Jahreszeiten-abhängig alle benötigten Kleidungssstücke und Gegenstände anzeigt. Mattis hat eine smarte, faltbare “Reisetüte” gebastelt, da er am liebsten mit einer Ikea-Tasche reist, wo seine Sachen aktuell aber noch etwas zu wild durcheinander fliegen. Ich selbst bin der Rucksack-Typ. Ich finde aber nie die Dinge, die ich gerade brauche. So wollte ich einzelne kleinere Taschen für verschiedene Kategorien, um Ordnung zu halten.

Unser erster Prototyp zum Testen von “Scotty the Smart Sponge”

Nach dieser “Aufwärmung”, die schon sehr erkenntnisreich war, kamen wir zur eigentlichen Aufgabe. Das Thema war: Wie können wir die Gesundheit im Alltag verbessern?

Dazu haben wir zunächst grob zu unterschiedlichen alltäglichen Orten (Schule, Büro, Zuhause usw.) auf Basis von “Gesundheitsproblemen” an diesen Orten Ideen entwickelt, und als Team eine ausgewählt, die wir weiterdenken wollten. Wir haben uns dabei für eine Hygiene-Lösung im Office entschieden — einen Schwamm, der sich verfärbt, wenn die Keimbelastung zu hoch ist und es Zeit ist, ihn zu entsorgen. Diesen Schwamm haben wir anschließend als Prototypen gebastelt und im Büro an unseren Arbeitskollegen getestet.

Das Ergebnis: Viel Interesse, aber das Produkt muss selbsterklärend sein. Also haben wir das Vorher-Nachher-Display für die Produktdemonstration verbessert.

Workshop 2: Build to think

Im zweiten Workshop ging es um Service Prototypen. Dazu haben wir aus der Shortlist von Workshop 1 eine Service Idee ausgewählt und eine sog. Journey Map erstellt. Das ist der prototypische Verlauf und Berührungspunkte beim Einsatz dieses Services. Dafür kann man sich an den Phasen “See” (Kenntnis erlangen), “Think” (verstehen, worum es geht), “Do” (mitmachen, interagieren) und “Care” (wiederholen und/oder weitererzählen) entlanghangeln. Der Test des Service Prototypen, bzw. genau einer Phase der Journey, sollte in einem Rollenspiel getestet werden.

Journey Map und Paper Prototype der App “Rocket Move”

Die Herausforderung: Mit unserem Service sollen Kinder und Jugendliche eine Alternative zum passiven “Rumhängen” in den Pausen bekommen.

Die Idee: “Rocket Move” — Aktive Pausen an Schulen oder Unis und eine zugehörige App, verbunden mit einer Peer Mechanik, wo Mitschüler potentielle Nutzer des Angebots im persönlichen Gespräch überzeugen.

Die Umsetzung im Prototypen: In unserem Arbeitsblatt haben wir den Nutzer und die Journey Map beschrieben und die wichtigste Phase “Überzeugung zum ersten Ausprobieren” eingekreist. Anschließend haben wir diesen Gesprächsablauf als Storyboard und die App zur Unterstützung des Gesprächs als Paper Prototypen umgesetzt. Zum Testen haben wir ein Rollenspiel entwickelt und anschließend mit unseren Büromitbewohnern durchführt. Mit dem gesammelten Feedback haben wir den Prototypen verbessert.

Wir haben gelernt: Ein gesprächsbasierter Service Prototyp braucht viele “Weichen” im Skript für unterschiedliche Gesprächspartner, aber auch die Flexiblität vom Leitfaden abzuweichen.

Workshop 3: Plan for Field Test

Im dritten Workshop ging es darum, einen High Fidelity Test vorzubreiten — also die Überprüfung eines detailierten Prototypen in einem realistischen Umfeld. Hier lag der Fokus auf der Planung und Vorbereitung des Workshop 4. Wir haben uns entschieden “Scotty, das schlaue Schwammtuch” weiterzuentwickeln und zu testen. Dazu wurde erneut eine Journey Map angefertigt, die den Nutzer und die einzelnen Berührungspunkte festlegt.

Dann haben wir die erste Phase der Journey Map zum Testen ausgewählt. Kritisch ist bei einer Haushalts-Produktinnovation aus unserer Sicht, das der Nutzer sie kennenlernt und versteht. Die wiederholte Nutzung kommt schon von ganz allein, wenn das Produkt überzeugt. Also ging es darum, Scotty Sichtbarkeit zu verschaffen und von seinen Vorteilen zu überzeugen. Dazu haben wir uns überlegt, welche Ressourcen wir für den Test benötigen und einen ersten Probeaufbau vorgenommen. Dann haben wir Scribbles der benötigten Materialien angefertigt. Ein A2-Plakat erklärte die Funktionsweise des Schwammes. Wir haben das Display der beiden Zustände — vorher und nachher — des Schwammes weiter gedacht und einen Multipack entworfen. Mit den Scribbles wurden die Materialien dann produziert und der Ablauf des Feldtests besprochen. Und wir haben uns die Erlaubnis der Metro in Hamburg Altona eingeholt, dort in realem Umfeld testen zu dürfen.

Wir haben gelernt: Der testweise Aufbau von “Service-Räumen” ist sehr hilfreich, um Details eines Feldtests zu antizipieren.

Display, Verpackung und Plakat für “Scotty, das schlaue Schwammtuch”

Workshop 4: In the Field

Die letzte Einheit des Trainings war der Feldtest. Da alle Materialien in der vorangegangenen Woche angefertigt wurden, mussten wir am Testtag nur noch unseren Stand in der Metro aufbauen.

Wir haben uns für den Test am Markt Ausgang positioniert, um möglichst viele Menschen abzupassen und mit einem frischen “Einkaufs-Mindset” zu Scotty befragt. Hier ging es darum zu erfahren, ob das Konzept funktioniert und die Funktionsweise des Produktes klar wird. Dabei haben wir schon während des Tests, quasi “live” iteriert und kleine Verbesserungen in der Ansprache der Nutzer vorgenommen.

Wir haben gelernt: Die Deutschen sind ängstliche Tester. Daher muss man beim High-Fi Feldtest evtl. vom natürlichen Gesprächsfluss bis zum Verkauf abweichen und vorwegnehmen, dass nichts verkauft wird.

Stand für den Feldtest in der Metro

Fazit

Durch tägliche Arbeit sind uns die wichtigsten Methoden des Prototypings bereits bekannt. Dennoch haben wir viel mitnehmen können. Gerade das Rapid Prototyping macht es möglich, sehr schnell in Herausforderungen und nutzerzentrierte Ideen einzusteigen. Man beginnt mit einem Thema, entwickelt erste Assoziationen und während des Bastel-Vorgangs kristallisiert sich ein nutzerzentriertes Produkt heraus.

Die Herangehensweise an einen Feldtest mit physischem Service Raum war ebenfalls sehr lehrreich. So ein Test erfordert mehr Planung und Ressourcen als ein Click-Dummy Prototyp einer App. Es ist wichtig, die richtige Umgebung zu schaffen und den richtigen Berührungspunkt des Nutzers zu testen, um das Feedback zu erhalten, das wirklich die Entwicklung des Produktes vorantreibt.

Methoden wie das Rollenspiel oder Paper Prototyping werden wir auf jeden Fall in Zukunft weiterverfolgen und für unterschiedliche Innovationsprozessschritte optimieren.

Drei Erkenntnisse zum Abschluss

  1. Die richtigen Fragen während eines Testes bringen wertvolles Feedback. Aber wenn der Interviewer zu viel quatscht, verzerrt er/sie das Ergebnis. Es ist wichtig dem Nutzer Zeit und Raum zu lassen, den Prototyp selber zu verstehen. Wenn der Test offen gehalten wird, bekommt man das Feedback, das einen wirklich voranbringt. Wenn beispielsweise immer wieder die selbe Frage zu einer bestimmten Funktionsweise kommt, muss hier noch optimiert werden.
  2. Prototyping ist immer auch Teambuilding. Wenn man sich gemeinsam für eine Idee entscheidet, wenn man durch ein Modell den anderen erklärt, was man meint, wenn man zusammen die Erkenntnisse umsetzt… Das verbessert die Kommunikation, schweißt zusammen und macht viel Spaß.
  3. Testen lehrt einen ganz nebenbei auch Fehlerkultur und Offenheit. Man erwartet ja schliesslich auch Kritik, damit man auf der Basis seine Idee verbessern kann. Ohne Kritik, keine Entwicklung. Außerdem war für mich persönlich auch allein das Bitten um Zeit für Feedback ein “Über-den-eigenen-Schatten-springen”, das einen mit jedem Durchlauf etwas entspannter macht.

Wenn du ebenfalls (weiter) Erfahrung im Human-Centered Design sammeln willst, kann ich das Training auf jeden Fall empfehlen.

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