Was ist eine gute Idee?
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Im Innovationsbusiness ist ein Hauptteil unserer Arbeit, die Entstehung und Umsetzung neuer, guter Ideen zu katalysieren. Aber was ist eine gute Idee? Wir haben als Team begonnen, unseren geballten Erfahrungsschatz rund um Ideenentwicklung zu systematisieren. Parallel habe ich die aktuelle Diskussion in Fachkreisen verfolgt und mir eine Meinung dazu gebildet. Die für mich wichtigsten Punkte möchte ich hier teilen.
Was ist gut? Grundsätzlich lassen sich zwei Bewertungsebenen unterscheiden. Die Güte von neuen Ideen bemisst sich 1. an ihrer Relevanz und 2. an ihrer Implementierbarkeit.
Gut ist eine hohe Relevanz
Wenn ich aus einer langen Liste von Ideen wenige oder sogar nur eine auswählen soll, beschäftige ich mich zunächst mit dem Thema Relevanz.
Es gibt drei Zusammenhänge, die wir betrachten sollten. In Zeiten von “User Centricity” schauen wir zu allererst auf die Wichtigkeit für die Gruppe von Menschen, für die meine Idee eigentlich gedacht ist.
Eine Idee ist relevant für die Zielgruppe, wenn sie:
- ein Problem dieser Menschen löst,
- einen Wunsch der Menschen erfüllt bzw. eine Belohnung darstellt,
- etwas (z.B. einen Ablauf) einfacher oder schneller macht oder
- auf irgendeine Weise mental stimuliert (d.h. unterhaltsam ist)
Und — ganz wichtig — die Menschen müssen auch wollen, das ihr Problem gelöst oder ihr Wunsch erfüllt wird. Hier wird die strategische Aufgabe komplex. Probleme und Wünsche stehen in Konkurrenz zueinander. Es kann sein, dass das Nicht-Lösen eines Problems, einen Wunsch erfüllt. So kann Beschleunigung ein Problem lösen, aber gleichzeitig Verlangsamung ein Wunsch sein. Das ist sogar der gesellschaftliche Trend. Für eine differenzierte Betrachtung braucht es qualitative Forschung. Mit einem detaillierten Blick auf Einstellungen und Verhaltensweisen verstehen wir nicht nur die Relevanzfaktoren sondern können sie auch priorisieren.
Der zweite Zusammenhang hat etwas mit dem Umfeld zu tun, in dem sich eine Idee bewegt. In unserer täglichen Arbeit beraten wir Unternehmen aus Branchen mit unzähligen Marktteilnehmern und vielen guten Angeboten.
Eine Idee ist relevant für den Markt, wenn sie:
- ein Problem löst, das andere noch nicht oder schlechter lösen
- einen Wunsch erfüllt, den andere noch nicht oder schlechter erfüllen
- neu und einzigartig und ist, was für Nutzer wiederum stimulierend ist.
Hier wird sofort klar, dass Relevanz für die Zielgruppe und Relevanz für den Markt eigentlich untrennbar sind. Eine echte Neuheit ist keine gute Idee, wenn sie nicht wirklich ein Problem löst. Ein Problemlöser wird möglicherweise irrelevant, wenn ihn schon ein anderer Marktteilnehmer erfunden hat.
Es können aber auch beide Wettbewerber die gleich Idee haben, aber mit einem anderen Wertesystem aufladen. Hier kommt der dritte Zusammenhang, die Unternehmens- bzw. Markenebene, ins Spiel.
Eine Idee ist relevant für das Unternehmen, wenn sie:
- zur Marke passt, d.h. die Werte widerspiegelt
- ins bestehende Produkt- und Service-Portfolio passt
- nicht so richtig passt, aber dadurch neue Facetten addiert
- relevant für Bestandskunden (siehe oben) ist oder einen signifikanten potenziellen Nutzerstamm anspricht
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Gut ist eine hohe Implementierbarkeit
Bis hierher haben wir nur die Relevanz einer Idee betrachtet. Eine Idee wird aber erst zur Innovation, wenn sie das Licht der Welt erblickt. Es fehlt also noch eine zweite Betrachtungsebene, die die Theorie in die Praxis bringt.
Es gibt viele Ideen, die rein theoretisch hochrelevant sind, aber trotzdem nicht fliegen. Ich beschäftige mich daher in letzter Zeit viel mit Umsetzungs- und Implementierungsprozessen und der Psychologie dahinter. Daraus sind noch mal drei wichtige Kriterien für die Bewertung von Ideen entstanden.
Aus Unternehmenssicht zählt zu allererst die Umsetzbarkeit. Daher wird dieser Faktor ganz häufig mitbedacht, aber vielleicht nicht in allen Details.
Als gut umsetzbar gelten Konzepte und Ideen, die:
- aus bestehenden Mitteln und Kapazitäten umgesetzt werden kann,
- einen positiven ROI (Return on Invest) in wenigen Jahren bringt oder
- in einem überschaubaren Zeitrahmen getestet und gelauncht werden kann.
Hierin steckt noch ein Unterpunkt, nämlich Testbarkeit. Der Umsetzung neuer Ideen hilft es immer, wenn Zwischenergebnisse überprüft werden können und es die Möglichkeit zur Iterationen gibt. Das erhöht nicht nur die Chance, dass eine Idee grundsätzlich als relevant angesehen wird, sondern löst auch “Follower Verhalten” aus. Da der Mensch ein Herdentier ist, sind frühe Tester auch wichtig, um spätere “echte” Nutzer anzuziehen.
Nach der Umsetzbarkeit ist die Erleb- und Teilbarkeit ein wichtiger Faktor für die Qualität einer Idee. Damit neue Ideen wirklich angenommen und Tester zu Influencern werden, braucht es (massenwirksame) Wege, um die Idee nicht nur zu erklären, sondern “vorzuführen”.
Als gut erlebbar gelten Konzepte und Ideen:
- mit denen die Zielgruppe interagieren oder experimentieren kann,
- bei denen neue Interessenten im besten Falle zusehen können, um selbst Lust aufs Aufprobieren zu bekommen,
- über die einfach berichtet werden kann, z.B. weil es starke Bilder und Geschichten zum Weitererzählen gibt.
Der letzte Punkt, der vor allem als Hinderungsgrund ausgeschlossen werden sollte, ist die Kompatibilität von Ideen. Dahinter steckt ein psychologischer Effekt. Wir sind bereit, uns neuen Ideen zu öffnen, sie nicht nur zu akzeptieren sondern zu adaptieren, wenn sie an bestehende Denkmuster andocken. Innovatoren, die nicht fünf Jahre sondern 20 Jahre in die Zukunft schauen, werden oft als Spinner verschrieen, weil ihre Ideen noch nicht an das anknüpfen, was man heute schon kennt. Die Erfolgreichen unter ihnen, bauen eine Verständnisstrasse bis die Vision Stück für Stück kompatibel wird.
Als kompatibel gelten Konzepte und Ideen, die
- an bestehende Erfahrungen anknüpfen,
- vergleichbar mit bestehenden Konzepten (aus anderen Branchen) sind,
- manchmal auch nur einen etablierten Mythos aufgreifen.
Da die meisten Entwicklungen tatsächlich inkrementelle Innovationen sind, also logische Weiterentwicklungen, mag die Kompatibilität in der faktischen Produktentwicklung nicht so häufig eine Hürde sein. Aber man kann in jedem Fall die Psychologie dahinter für Marketingzwecke verwenden. Analogien zu Bekanntem zünden mit hoher Wahrscheinlichkeit. In meinem früheren Fintech Startup, hatten wir viel Erfolg mit der Erklärung “das ist wie Weight Watchers für die Finanzen”.
Es gibt also eine Menge Kriterien, die die Güte einer neuen Idee ausmachen — sowohl in der Theorie als auch in der praktischen Umsetzung. Dabei sind hier nur die aus meiner Sicht wichtigsten genannt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Die Betrachtung dieser Kriterien gehört zur strategischen Arbeit eines jeden Produktmanagers, Vermarkters, Entwicklers, Gründers usw. Damit wir bei der Betrachtung der verschiedenen Faktoren nicht den Überblick verlieren, verwenden wir bei X-O Matrizen und Canvas-Modelle. Und wir gehen mehrstufig vor. Erst bewerten wir die theoretischen Faktoren — also die Relvanz — einer Idee in Form von Stärken und Schwächen aus Nutzer-, Markt- und Markensicht. Hieraus kürzen wir eine zuvor erstellte Longlist zu einer Shortlist. Im zweiten Schritt wählen wir die Top eins bis drei anhand der praktischen Implementierbarkeit aus und erarbeiten dann einen detaillierten Business Plan.
Hier nochmal die beschrieben Kriterien als Checkliste (Setzt du einen Haken, ist es vermutlich eine Stärke. Setzt du keinen Haken, solltest du dich Fragen: Ist das eine kritische Schwäche?):
Ist die Idee relevant, d.h. :
- Problemlöser, Wunscherfüller oder Vereinfacher?
- spannend oder neuartig?
- besser oder interessanter als Bestehendes?
- passt sie zum Absender oder addiert sie glaubwürdige, neue Facetten?
- passt sie zu Einstellungen und Verhalten von Bestandskunden oder erreicht neue potentialträchtige Kunden?
Ist die Idee implementierbar, d.h. :
- finanziell und mit unserem Team umsetzbar?
- schnell test- und optimierbar?
- erlebbar und teilbar, damit aus wenigen viele Nutzer werden?
- verständlich und passt zu mindestens einem bekannten Konzept?
Probier es mal aus! Ich freue mich über Kommentare.
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