Offene Fehlerkultur: Was sie ausmacht und wie du sie entwickelst


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Eine konstruktive Fehlerkultur ist kein Nice-to-have, sondern die Grundlage für Innovation und Lernen. Hier erfährst du, wie du in deinem Team oder Unternehmen eine starke Fehlerkultur entwickelst – mit konkreten Ansätzen, Methoden und Beispielen.
Was bedeutet Fehlerkultur?
Der Begriff Fehlerkultur beschreibt, wie in Organisationen mit Fehlern, Rückschlägen und Scheitern umgegangen wird. Sie zeigt sich in Gesprächen, Entscheidungen und im täglichen Miteinander – also oft implizit. Eine starke Fehlerkultur erlaubt es Mitarbeitenden, offen über Fehler zu sprechen, daraus zu lernen und neue Wege zu gehen, ohne Angst vor Sanktionen zu haben.
Im Zentrum steht der Gedanke, dass Fehler unvermeidlich sind – besonders in komplexen, dynamischen Umfeldern. Der entscheidende Unterschied liegt also nicht im Auftreten von Fehlern, sondern im Umgang mit ihnen:
- Sind Fehler Gesprächsanlässe oder Tabus?
- Wird nach Ursachen oder nach Schuldigen gesucht?
- Dient das Aufdecken eines Fehlers der Verbesserung oder der Bestrafung?
Eine gute Fehlerkultur schafft ein Klima psychologischer Sicherheit, in dem Menschen sich trauen, offen über Probleme, Irrtümer und Risiken zu sprechen. Im Unternehmenskontext bedeutet das konkret die Förderung von:
- Transparenz: Fehler werden sichtbar gemacht, statt versteckt.
- Verantwortung: Es wird zu Fehlern gestanden, ohne Schuldzuweisungen.
- Lernen: Aus Fehlern werden strukturiert Learnings abgeleitet.
Systemisches Denken: Nicht nur der Mensch wird in den Blick genommen, sondern auch Prozesse und Strukturen.
Warum eine starke Fehlerkultur Innovation fördert
Innovationen entstehen nie linear. Per Definition sind sie ungewiss und risikobehaftet, was bedeutet: Jeder Prototyp, jedes neue Geschäftsmodell, jede Veränderung ist zu einem gewissen Grad mit Unsicherheiten verbunden. Wer innovativ sein will, muss experimentieren – und wer experimentiert, macht zwangsläufig auch Fehler.
Eine gesunde Fehlerkultur hilft dabei, die Angst vor dem Scheitern zu reduzieren und stattdessen Kreativität und Innovation zu fördern, weil Menschen sich trauen, unkonventionelle Ideen zu äußern. Mit einer starken Fehlerkultur werden gescheiterte Ideen und Fehler zum Ausgangspunkt für gemeinsames Lernen, weil Fehler nicht verdrängt, sondern analysiert werden. So können auch Wiederholungsfehler vermieden werden. Eine gute Fehlerkultur macht das gesamte Unternehmen darüber hinaus resilienter und stärkt das allgemeine Vertrauen, da der Umgang mit Fehlern und die offene und mutige Kommunikation das Miteinander stärkt.
Ein Unternehmen ohne gelebte Fehlerkultur hat hingegen meist eine Scheinkultur des Perfektionismus, in der nicht innoviert, sondern abgewartet, politisiert und abgesichert wird. Die Folge sind Innovationsblockaden, Mitarbeiterfrust und eine Kultur des Stillstands.
Fehlerkultur entwickeln: 5 praktische Hebel
Um die Fehlerkultur in deinem Unternehmen oder Team zu verbessern, können die folgenden fünf konkreten Ansätze helfen:
1. Psychologische Sicherheit fördern
Ohne psychologische Sicherheit gibt es keine offene Fehlerkultur. Gemeint ist das Vertrauen darauf, dass man keine negativen Konsequenzen befürchten muss, wenn man Fragen stellt, Zweifel äußert oder Fehler eingesteht.
Führungskräfte haben hier eine Schlüsselrolle: Sie müssen nicht perfekt sein – im Gegenteil. Indem sie eigene Fehler offen ansprechen, laden sie andere dazu ein, dasselbe zu tun. Auch gezielte Fragen wie ”Was hätte ich als Führungskraft besser machen können?” oder “Worüber habt ihr euch diese Woche geärgert?“ signalisieren: Hier ist Raum für Echtheit. Wer aktiv zuhört, sich selbst verletzlich zeigt und Feedback einholt, setzt ein starkes Zeichen.
Ein Tool-Tipp sind Check-ins mit Fragen wie: “Was habe ich letzte Woche ausprobiert, das nicht funktioniert hat?“
2. Fehler systematisch analysieren
Viele Organisationen machen Fehler, aber nur wenige sprechen strukturiert über sie. Fehler sichtbar zu machen bedeutet: Sie werden benannt, dokumentiert und ausgewertet – und das nicht zur Kontrolle, sondern zum Lernen.
Ein guter Einstieg ist es, Teams regelmäßig gezielt zur Reflexion einzuladen – zum Beispiel am Ende von Projekten, in Retrospektiven, bei Reviews oder im Rahmen von Lernformaten. Dabei helfen einfache, aber wirkungsvolle Fragen wie:
- Was haben wir ausprobiert?
- Was hat nicht funktioniert?
- Was nehmen wir mit?
Wichtig dabei ist, dass die Reflexion niedrigschwellig, regelmäßig und vor allem nicht defizitorientiert erfolgt. Und gerade in experimentellen Vorhaben – etwa bei der Erprobung neuer Produkte, Prozesse oder Arbeitsweisen – kann eine solche Reflexion besonders wertvoll sein.
3. Experimente zum Lernen nutzen
Experimentelle Ansätze helfen, sich dem positiven Umgang mit Fehlern und einer offenen Fehlerkultur zu nähern. Denn hier geht es nicht darum, Fehler um jeden Preis zu vermeiden. Vielmehr sind Experimente bewusst ergebnisoffen angelegt. Der zentrale Zweck ist der Erkenntnisgewinn – und Fehler sind ein natürlicher, sogar notwendiger Teil dieses Prozesses. Entscheidend ist, dass Experimente systematisch dokumentiert, analysiert und regelmäßig reflektiert werden, damit so ein sicherer Raum entsteht, in dem das Lernen aus Fehlern tatsächlich möglich wird. Denn: Fehler allein führen nicht automatisch zu einer Verbesserung. Das Lernen daraus muss organisiert, ritualisiert und institutionalisiert werden. Regelmäßige Experimente, Learning Reviews, dokumentierte Erkenntnisse und der teamübergreifende Austausch helfen dabei.
4. Positive Sprachregelungen einführen
Sprache beeinflusst das Verhalten. Wer ständig von “Scheitern” spricht, erzeugt Angst. Wer von “Experimenten“ und “Lernzyklen“ spricht, schafft hingegen Offenheit.
Statt „Was ist schiefgelaufen?“ ist es also sinnvoller zu fragen:
- „Was haben wir gelernt?“
- „Was war überraschend?“
- „Was probieren wir als Nächstes aus?“
Auch das konsequente Verwenden von Methodenbegriffen aus dem Lean Startup oder Design Thinking kann helfen, eine neue Sprache rund um Fehler zu etablieren.
- Statt von „Fehlern“ kann man von „falsifizierten Hypothesen“ sprechen – ein zentraler Begriff im Lean Startup, der verdeutlicht, dass eine Hypothese widerlegt wurde bzw. ein Experiment neue Erkenntnisse geliefert hat.
- Der Begriff „Prototyp“ aus dem Design Thinking zeigt, dass etwas bewusst unvollständig und vorläufig ist – Fehler oder Rückschritte werden damit nicht als Versagen gewertet, sondern als Teil des Gestaltungsprozesses.
- Auch die Idee des „Build-Measure-Learn“-Zyklus aus dem Lean Startup fördert eine positive Haltung gegenüber dem Lernen aus Irrtümern – etwas wird entwickelt oder angepasst, dann getestet oder gemessen. Dabei werden stets neue Erkenntnisse gewonnen, die dazu führen, den Zyklus je nach Bedarf erneut zu durchlaufen. Lernen wird so zum integralen Bestandteil des Handelns.
So wird Sprache zum Werkzeug, um ein konstruktives Verhältnis zu Fehlern im Alltag zu verankern.
5. Fehlerfreundliche Rituale etablieren
Fehlerkultur braucht Raum und Formate. Und diese müssen bewusst gestaltet werden. Folgende Ansätze haben sich bereits in vielen Organisationen bewährt:
- FuckUp-Nights (intern): Teams erzählen von missglückten Projekten und teilen Learnings.
- Failure Friday: Wöchentlicher Post auf einem internen Kommunikationskanal, in dem Mitarbeitende offen sagen, was nicht geklappt hat.
- Fehler-Trophäen: Preise für das beste Learning aus einem gescheiterten Versuch. Dark Horse erklärt die Methode wie folgt: Mitarbeitende können sich selbst für den Fail-Award nominieren und dann in einem kurzen Fail-Pitch ihren Fail, inklusive der Fehleinschätzung, der Auswirkungen sowie des Learnings vorstellen. Nach einer Abstimmung wird der:die Sieger:in gekührt. Zu Beginn ist es hilfreich, wenn Führungskräfte als Vorbild vorangehen, um die Scheu vor Fehlern zu nehmen.
Solche Formate helfen, den kulturellen Wandel sichtbar zu machen und mit positiven Emotionen zu verbinden.
Methoden zur Stärkung der Fehlerkultur
Es gibt unterschiedliche Tools und Methoden, die sich hervorragend zur Entwicklung und Arbeit an der Fehlerkultur eignen.
- Pre-Mortem Analyse: Eine Methode zur Risikovorsorge: Teams stellen sich vor, ein Projekt sei gescheitert und analysieren, warum. Dadurch können viele Fehler frühzeitig vermieden werden.
- Culture Mapping: Diese Methode visualisiert offizielle, inoffizielle und erlebte Werte und macht sichtbar, welche kulturellen Muster einen offenen Umgang mit Fehlern behindern.
- Retrospektiven: Regelmäßige, geschützte Reflexionsformate für Teams, die besonders aus der agilen Welt bekannt sind. In regelmäßigen Abständen reflektiert ein Team: Was lief gut? Was lief nicht gut? Was lernen wir daraus?
- 5-Why-Methode: Ideal, um die tatsächliche Ursache eines Fehlers herauszufinden – durch das fünfmalige „Warum?“ wird aus Symptomanalyse echte Ursachenforschung.
Diese Methoden lassen sich sowohl in agilen als auch in klassisch strukturierten Organisationen einsetzen – oft mit erstaunlich schnellen Effekten. Wenn du dich ausführlicher mit diesen Methoden und dem Aufbau zukunftsfähiger Organisationen auseinandersetzen möchtest, nimm gern Kontakt zu uns auf.
Beispiele aus der Praxis
- BMW Group führt gezielt Lernräume für Mitarbeitende und insbesondere Führungskräfte ein, um Fehler zu reflektieren und Erfahrungen zu teilen. In sogenannten Failure-Nights werden Fehler aktiv zum Ausgangspunkt für Innovation.
- Otto Group setzt auf „Fehlerkultur-Labs“, in denen Teams gemeinsam Kulturbarrieren identifizieren und abbauen. Im Rahmen des Kulturwandel-Prozesses wurden FuckUp-Nights initiiert und im Jahr 2018 ein Mut-Festival ausgerichtet. Darüber hinaus gehören Retrospektiven und dialogische Feedback-Tools zum Alltag.
Die beiden Beispiele zeigen: Es braucht keine Großprojekte, sondern schon kleine, konsistente Schritte können den Unterschied machen.
Fazit: Kleine Schritte, große Wirkung
Fehlerkultur zu entwickeln heißt, sich systematisch für ein neues Mindset zu entscheiden: eins, das Lernen über Bestrafung stellt. Besonders in innovativen Organisationen ist eine Fehlerkultur kein weiches Kulturthema, sondern ein harter Wettbewerbsfaktor. Der beste Schritt um loszulegen, ist klein zu starten, offen über eigene Fehler zu sprechen und sukzessive geeignete Methoden zu etablieren, um im gesamten Unternehmen eine gesunde Fehlerkultur zu schaffen.
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